Eine Antwort auf: „Fussball was machst du nur? Wenn Ignoranz in einem Sport mit viel Geld regiert“ – von Nicolai Kammann

Mein erster Post auf B’s Blog – und ich falle ihm gleich mal, teilweise, in den Rücken!AAEAAQAAAAAAAAQcAAAAJGE2ZDFhZjA2LWU2NDUtNGE5Mi04NmIwLWQ5YmU1Zjc4MjljNA

An seinem Post vom 14.3.2016 war viel Wahres dran. (Link zum Original einfügen):
Athletiktraining ist im Fussball unterrepräsentiert und die Strukturen im Fussball lassen der Athletischen und Medizinischen Abteilung oft nicht genug Mitspracherecht in der Trainingsplanung zukommen.
Die Mentalität „große Spieler sind langsame Spieler“ herrscht bei so manchem Trainer immer noch vor. Das sind aber, überraschenderweise, auch häufig Trainer die Fragen stellen wie „für was brauche ich einen Videoanalysten“.
Manche Vereine/Sportvorstände müssen erkennen dass ein guter athletischer Stab (Profis + NLZ) günstiger ist als verletzungsbedingte Nachverpflichtungen im Winter. Die Ausgaben amortisieren sich sehr schnell.
Und noch vieles mehr! Nachdem es aber immer leicht ist von außen zu urteilen, möchte ich nun einen kleinen Einblick von der anderen Seite aus geben. Sowohl was ich in meiner Zeit beim FCB erlebt habe, als auch was ich im Austausch mit anderen Clubs erlebt habe.
Nachmacher!

Zwischen 2008 und 2010 implementierten Top-Clubs das 4-2-3-1 und waren damit sehr erfolgreich. Was passierte nun? Dieses System wurde fast überall zum Standard. Solche Entwicklungen vollzieht der Fussball ständig, eben auch im athletischen Bereich. Mehr und mehr Clubs erkennen gute Beispiele, wie Benfica Lissabon, Arsenal London, Ajax Amsterdam oder AZ Alkmaar. Sie sehen Statistiken aus diesen NLZs und Profiteams mit drastisch gefallenen Ausfalldauern und Verletzungszahlen. Und nach und nach erkennen die Vereine dass die Strukturen dort ein wichtiger Faktor sind. Benfica und Arsenal haben ab der U9 Vollbeschäftigung, Spieler werden täglich gescreent und es wird in engstem Austausch mit allen Ebenen des Clubs gearbeitet. Hier geben die Athletiktrainer außerdem die Intensität und den Aufbau der kompletten Trainingseinheit vor.

Man erkennt sofort, dass hier kompetentes Personal am Werk ist. Arsene Wenger hat vor einigen Jahren Des Ryan aus dem irischen Rugbyverband abgeworben, eben um Qualität in seinen Verein zu holen. Jürgen Klopp holt nicht umsonst Bayerns Fitnesstrainer Andreas Kornmayer nach Liverpool, unter dessen Leitung Bayern – gerade zu Heynckes Zeiten – wohl eine der athletischsten Mannschaften in Deutschland war. Und was passiert? Andere Vereine versuchen sich an diesen Beispielen zu orientieren und in die gleiche Richtung zu arbeiten. Erfolg gibt dir immer recht und sorgt immer dafür, dass andere versuchen dein Konzept zu verstehen und zu implementieren.

Die Spieler sind nicht blind!

Das Mindset der Spieler wird offener. Immer häufiger sind Profis im Austausch mit Sportlern aus anderen Sportarten. Was mache professionelle Sportler irgendwann? Richtig, sie reden über ihr Training. Und Fussballprofis sind sicher gerne mal zu große Schauspieler oder mit ihren 3-mal in der Woche geschnittenen Haaren beschäftigt, sie sind aber nicht zu blöd um Unterschiede zwischen sich und Freunden aus dem Skisport, Handball oder Eishockey zu erkennen. Sie sehen die Fitness dieser Athleten, die Verletzungshäufigkeiten (oder eher nicht-Häufigkeiten) selbiger – trotz teilweise intensiverer Kontaktsportarten – und bemerken die Diskrepanz. Sportler sind psychologisch ein labiles Gebilde, sprich: Wenn sie nicht das Gefühl haben das Optimum herauszuholen, dann leidet die Leistung. Natürlich ist es für einen Athleten, ohne wissenschaftlichen Hintergrund, manchmal schwer gut von schlecht zu unterscheiden, doch dieses immer offenere Mindset und die Auseinandersetzung mit Training sorgt für eine Revolution von innen: Spieler hinterfragen Methoden, denn sie wollen mit 32 Jahren noch Spielen können, obwohl die Spielpläne immer voller werden. Außerdem werden Profis mit ausgeprägter Muskulatur oder guter Lauftechnik mehr und mehr zum Vorbild, egal ob Ronaldo oder Hector Bellerin, auch weil Profis offensiver mit dem Thema in der Presse umgehen. Eine kleine Anekdote hierzu: In meinen Jugendteams wurde ich in fast jedem Trainingszyklus von Spielern angesprochen warum wir „x“ machen und nicht „y“, und was ihre Freunde in anderen Vereinen, aber auch anderen Sportarten machen. Die Jungs wollen wissen was ihr mit ihnen macht und sie wollen wissen was das Rchtige für sie ist, auch wenn das manchmal ein HIT Medizinballzirkel ist. Und das bringt uns zum wichtigsten Punkt, den Basti auch schon angesprochen hat.

Alles steht und fällt mit dem Athletiktrainer und den Universitäten!

Wie soll sich die Sportart verbessern, wenn jeder aus Angst um seinen Job den Weg des geringsten Widerstandes geht?

Egal wo ich bis jetzt war: Wenn der Athletiktrainer Eier in der Hose hatte und auch jederzeit ruhig erklären konnte warum er etwas tut, dann war es ein super Programm/eine gut ausgebildete Mannschaft!

Fundiertes Wissen verleiht immer macht und eine unaufgeregte Selbstsicherheit Die Vereine wollen besser werden, selbst B‘s Negativbeispiele Werder Bremen oder Atletico Madrid wollten besser werden. Kann ein Sportdirektor oder Trainer Qualität erkennen, wenn er kein Fachmann ist? Oft erkennen doch nicht einmal Fitnesstrainer Qualität, sonst würde so manches Trainingssystem mit buntem überteuertem Zubehör nicht existieren.

Arsenal hat jeden Athletiktrainer Positionspapiere verfassen lassen, damit man sich immer darauf berufen kann. Man zahlt dort dem Athletiktrainer der U9 am meisten, denn wenn er schlecht ist, dann verliert der Spieler ein Jahr seiner Entwicklung das keiner mehr reinholen kann. Bayern hat sich unter Michael Tarnat von Andreas Kornmayer dazu animieren lassen Athletiktraining im Jugendbereich auszubauen. Kleinere Teams wie Heidenheim, FC St.Gallen oder der FC Augsburg versuchen momentan ihre Abteilungen auszubauen – sofern es die Finanzen zulassen. Benfica macht velocity based strength training, schickt seine Athletiktrainer zum Austausch zu NFL Teams, Division I Colleges und entwickelt mit der Uni zusammen Trainingssysteme.
Wenn der Athletiktrainer sein Konzept begründen kann, sich immer die Zeit nimmt zu erklären warum er Dinge tut und seine Arbeit irgendwann auch mit Daten legitimieren kann, dann wird ihn kein Verein der Welt absägen. Ähnliches gilt auch für die Universitäten: Je mehr diese im Austausch mit Vereinen standen, desto besser war dort die Lehre, das Personal und die Qualität und Relevanz der angefertigten Studien. Die Qualität der Universität und des Vereins war immer ähnlich. Und an wen wenden sich Vereine als aller erstes wenn sie neues Personal einstellen wollen in einem Bereich in dem sie noch kaum Erfahrung haben? Richtig, die Universitäten, die Fachmänner! Kein Ingenieursbüro würde bei einer Bäckergilde anfragen. Und genau hier, und nirgendwo sonst, ist mein größter Kritikpunkt am Fussball: Viele Trainer und damit auch Vereine verschließen sich den Universitäten, weil diese nicht praxisnah forschen würden oder sie ihre Daten nicht hergeben wollen. „Was bringt mir das? Ich bin in drei Jahren eh nicht mehr hier!“ kommt dann natürlich noch hinzu. Wie soll es besser werden wenn ihr ihnen keinen Input aus der Praxis liefert? Mit ihnen beginnt das ganze System! . Wäre mehr aus der Praxis bekannt, dann könnte man schon bei der Ausbildung und Studienlage das Niveau anheben und damit dem Sport helfen.

Um das ganze nun zu einem Abschluss zu bringen: Ja, der Fussball hängt zurück im athletischen Rennen. Doch er macht auch immer größere Schritte im Rennen um die anderen Sportarten einzuholen. Oder um es mit den Worten aus B’s Post zu sagen: Wir nähern uns den 43 Schritten auf 100 Metern mehr und mehr an!

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