Westside Barbell – Often criticized never analyzed

In den kommenden Wochen werde ich mich der Analyse verschiedener sogenannter Trainingssysteme widmen. Den Anfang macht das Westside Barbell System. Ich hatte die Möglichkeit 2009 ein Internship bei Louie Simmons zu machen und während dieser Zeit selbst mitzutrainieren und auch die verschiedenen Crews beim Training zu beobachten – und vor allem andauernd mit Louie Simmons über Training zu reden. Da ich selbstverständlich alles an Westside Literatur besitze und auch die Quellen gelesen habe auf die sich Louie bezieht denke ich kann ich einen guten Einblick liefern. Ich möchte aber gleich anmerken, dass ich selbst den Westside Trainingsaufbau nicht nutze, aber lange genutzt habe.

Das Training des Westside Barbell Gyms wird heiss debattiert und meist gefeiert oder absolut runtergemacht. Doch meist bleibt eine wirkliche Analyse dieses “Systems” aus.

Chad Wesley Smith hat sich mit diesem Video kritisch zu Westside geäußert, um dann mit Matt Wenning jemanden zu interviewen der einen anderen Blickwinkel auf das WSB Training liefert. Diese beiden Videos in Kombination liefern die meiner Meinung nach beste Analyse der Vor- und Nachteile des Westside Barbell Trainings. Ich spreche hier absichtlich nicht von einem Trainingssystem, da es sich wahrscheinlich mehr um eine Philosophie handelt.louie

Louie Simmons

Um das “System” zu verstehen muss man sicherlich erst einmal Louie verstehen – und das ist nicht gerade leicht, weder im gesprochenen noch im geschriebenen Wort.  Louies Reise durch die Welt des Powerliftings ist sicherlich phänomenal – und entgegen dem was die meisten realisieren begann sie mit RAW Powerlifting. Nach einer langen Phase in der IPF und single ply Lifting ging es dann schliesslich zu den Multiply Federationen. In jedem dieser Bereiche war er mehr als nur erfolgreich.

Allerdings ist dieser Weg auch gepflastert von vielen Verletzungen. Patellasehnenriss, Wirbelbrüche und noch so einiges. Louie selbst betont immer wieder, dass diese Verletzungen sein Training beeinflusst haben und er sich daraufhin Gedanken machte, was an seinem Training nicht stimmt. Und hier sehen wir einen grundlegenden Wesenszug: Louie sieht Training als einen ständig verbesserungswürdigen Prozess. Man kann und muss immer dazu lernen und jede Verletzung ist unnötig. Dementsprechend versucht Louie immer weitere Quellen zu finden, um sein Training und das seiner Schützlinge weiterzuentwickeln. Diese Quellen findet er in der Literatur, aber auch im Austausch mit anderen erfolgreichen Hebern. Ohne Ego sagt er selbst, dass er nicht alles erfindet, aber es für sich nutzt.

“I didn’t invent toilet paper, but I’m smart enough to use it” – Louie Simmons

Erzählt Louie dann wie in diesem Podcast von seinen Trainingspartnern und dem was Westside Barbell ausmacht, dann sehen wir den zweiten Teil: Louie ist Hardcore und liebt es.

Wir haben also jemanden der a.) stetig nach Verbesserungen sucht und b.) Intensität mag.  Behalten wir das mal im Hinterkopf.

Die Grundstruktur

Montag Max Effort lower
Mittwoch Max Effort upper
Freitag Dynamic Effort lower
Sonntag Dynamic Effort upper

Die vier Haupttrainingseinheiten sind dementsprechend nach Oberkörper/Unterkörper gesplittet. Zusätzlich erfolgt die Unterteilung in eine Einheit in der sich auf ein 1er Maximum hochgearbeitet wird (Max Effort)  und eine Einheit in der mit der Intervall Methode im Schnellkraftbereich trainiert wird (Dynamic Effort).

Max Effort

Am Max Effort Tag wird in einer Variante der Hauptübungen ein Tagesmaximum erarbeitet. Zur Variation der Hauptübungen werden verschiedene Stangen genutzt (Cambered Bar, Safety Squat bar, Bow Bar etc.), verschiedene Griff- und Standweiten, sowie zusätzlicher Widerstand in Form von Ketten und/oder Bändern.  Sinn und Zweck der Variation sind folgende Punkte:

a.) Vermeiden eines zentral nervösen Übertrainings durch Variation

b.) Vermeiden von emotionaler Belastung

c.) Senken der Last

Zu a.) lässt sich sagen, dass nach einer gewissen Zeit 3-6Wochen mit maximalen Versuchen in einer Übung die Monotonie und Belastung zu einer Überlastung und somit rückläufigen Leistungsfähigkeit führt.  Der zweite Punkt ist allerdings ebenso entscheidend: Für einen Powerlifter sind Maximalversuche in den Wettkampfübungen emotional belastend. D.h., wenn ich ein 1RM Versuch im Cambered Bar Box Squat angehe ist das  für michTraining – auch wenn ich natürlich unbedingt eine neue Bestleistung aufstellen möchte. Ein 1RM in der Wettkampfkniebeuge allerdings ist alles wofür ich in dieser Disziplin trainiere – nicht eine von vielen Übungen. Dementsprechend ist es viel wichtiger für mich hier eine Bestleistung zu schaffen. Dieser emotionale Druck belastet wiederum das zentrale Nervensystem wesentlich mehr. Auch lassen sich durch die meisten Variationen nur geringere Lasten bewegen, da die Variation schwieriger ist bzw. bestimmte Schwachpunkte mehr in den Fokus rückt.

Die Übungen des Max Effort Tages werden in der Früh vor dem Training besprochen/ausgewählt, um die mentale Vorbereitung auf diesen Tag zu minimieren. Dies dient wieder der Reduktion des emotionalen Stresses.

Dann erfolgt das hocharbeiten auf das Tagesmaximum. Ziel ist es hier die vorherige Bestleistung zu überschreiten und das mit dem möglichst kleinsten Schritt. Es ist wichtiger hier keinen Fehlversuch zu haben, als nach einem großen PR zu gieren. Zudem sollen die Versuche über 90%1RM auf drei 1er beschränkt werden: 90%1RM  -knapp unter 100%1RM (z.B. 98%1RM) – neue Bestleistung z.B. 102%1RM. Bsp. 250kg Boxsquat:

  1. Versuch : 225kg
  2. Versuch: 245kg
  3. Versuch: 255kg

Danach geht es an diesem Tag zu den Assistenzübungen. Diese werden nach den eigenen Schwachpunkten ausgewählt. Der Wiederholungsbereich liegt hier meist bei 5-8Wdh. Dann kommen noch weitere Übungen, oftmals eingelenkige, um an weiteren Schwachpunkten zu arbeiten.

Dynamic Effort Squat

An diesem Tag wird der Boxsquat mit folgender Wave trainiert:

Woche 1: 12×2@50%1RM

Woche 2: 12×2@55%1RM

Woche 3: 10×2@60%1RM

Allerdings wird hier immer Zusatzwiderstand in Form von Ketten und/oder Bändern genutzt. Dieser sollte am oberen Ende der Bewegung ca. 20-25%des 1RM und im Umkehrpunkt 10%-15%1RM betragen.  Dementsprechend ist der Widerstand am oberen und unteren Ende:

Woche1: 70-75%1RM / 60-65%1RM

Woche 2: 75-80%1RM / 65-70%1RM

Woche 3: 80-85%1RM / 70-75% 1RM

Danach wird wieder bei Woche 1 begonnen. Allerdings erfolgt die Berechnung des 1RMs hier immer in Abhängigkeit von der verwendeten Stange! Dementsprechend kann man einen in sich linearen Verlauf kreieren:

Safetysquatbar 1RM: 200kg

Giant Cambered bar 1RM: 220kg

Straight bar 1RM: 235kg

Safetysquatbar

50 %

100kg

55 %

110kg

60 %

120kg
Cambered bar

50 %

110kg

55 %

122,5kg

60 %

132,5kg
Straight bar

50 %

117,5kg

55 %

130kg

60 %

142,5kg

So ergibt sich auch eine ansteigende Tonnage:

Safetysquatbar KG Sets Reps Tonnage Tonnage 3 Wochen

50 %

100

12

2

2400

55 %

110

12

2

2640

60 %

120

10

2

2400

7440

Cambered bar

50 %

110

12

2

2640

55 %

122,5

12

2

2940

60 %

132,5

10

2

2650

8230

Straight bar

50 %

117,5

12

2

2820

55 %

130

12

2

3120

60 %

142,5

10

2

2850

8790

Anschliessend wird das Kreuzheben trainiert. Hier variieren die Möglichkeiten deutlich.

Version 1: Reverse Wave Rackpulls

Woche 1: 10×2 @45%1RM + viel Bandspannung (50%1RM)

Woche 2: 8×2@45%1RM + mittlere Bandspannung (35%1RM)

Woche 3: 8×3@32,5%1RM + mittlere Bandspannung (35%1RM)

Eine weitere Möglichkeit wäre Kreuzeben vom Boden mit Bandspannung: 50-85%1RM mit 45kg Bandspannung unten und 100kg Bandspannung oben (ganz einfach, weil das die Spannung von Minibändern auf der Bandplattform ist). Hier bewegt man sich zwischen 8-12 einzelnen Wiederholungen.

Danach wechselt man wieder zu Assistenzübungen, die je nach Schwachpunkten ausgewählt werden.

Dynamic Effort Benchpress

Der Dynamic Effort Bankdrücktag nimmt eine besondere Rolle ein, da hier die meisten Varianten genutzt werden. Grundlegend wird mit Bandspannung  oder Ketten gearbeitet und die Intensität nicht variiert: 9×3@50%1RM + Bänder/Ketten

Hierbei werden die Griffe gewechselt meist zwischen eng und weit. Weitere Variationen sind:

a.) 8-9×5@50-60%1RM mit oder ohne Bänder/Ketten.

b.) Floorpress statt Bankdrücken

c.) Diverse Volumenvarianten wie 6×6/8×8/10×10 (aufeinanderfolgend)

D.) Pinpress

E.) Bänder von oben (Future Method)

Dies wird gefolgt von mehreren weiteren Bankdrückvarianten wie illegal wide Grip (meist für 6er oder 8er), enges Bankdrücken oder Kurzhantelbankdrücken.  Hierauf folgen viele Übungen für Triezeps Latissimus/oberen Rücken und was man noch so braucht.

Und nun kommen wir zu einem entscheidenden Punkt:

Es sind nicht nur 4 Trainingseinheiten / Woche!!! 

Die Extraeinheiten sind ein entschiedener Bestandteil des Trainings bei Westside Barbell. Hier wird weiter an den Schwachpunkten gearbeitet, Hypertrophie stimuliert und viel Schlitten gezogen. So erhöht sich die Anzahl der tatsächlichen Einheiten auf mindestens 6 oftmals aber auch 10-12 Einheiten. Diese Extras dauern meistens nicht sehr lange, 30-45 Minuten, und werden mit wenig Pausen gemacht. Oft werden hier Supersätze angewendet oder kleine Zirkel. Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.

Es gibt weitere Zusätze

Auch das Warm up vor dem eigentlichen Training kann aus Schlittenziehen, Rückentraining (Chuck Vogelpohl hat vor dem Kniebeugen 30-40 Minuten Bauch und Rücken trainiert) oder ähnlichem bestehen. All das bleibt jedem Athleten überlassen.

Max Effort als Zentrum des Westside Universums?

Der Dynamic Effort Tag erscheint sehr leicht und es geht hier um die maximale Beschleunigung.  Die Methode der Dynamischen Krafteinsätze ist allerdings eine Möglichkeit maximale Spannung, also hohe Rekrutierung, Frequenzierung und Synchronisation, zu erreichen. Ursprünglich wurde dieser Tag in das System aufgenommen, da zwei Max Effort Tage einfach zu viel für die meisten Heber waren. Mittlerweile hat diese Tag gerade für die Kniebeuge in der Wettkampfvorbereitung eine zentrale Rolle eingenommen.  Hier gibt es neben der normalen Phase noch weitere:

  • Strengthspeed Phase
  • Circa Max Phase

Gerade die Circamax Phase ist zentraler Bestandteil der Wettkampfvorbereitung da hier die Wettkampfziellast bewältigt wird – allerdings als Kombination aus Hantelgewicht und Bandspannung.

Für den Oberkörper nimmt der Dynamic Effort Tag oft mehr die Form eines Volumentages an. Gerade die Übungen nach dem Dynamic Effort sind hier wichtig.

Die Max Effort Tage schulen sicher die Fähigkeit an das Maximum heranzugehen und auch einen Versuch falls nötig durchzukämpfen.  Wie Lobei Simmons nicht müde wird zu betonen ist ein Wettkampf nichts, das einen nervös macht, wenn man jede Woche an sein maximum geht.

GPP andauernd erwähnt selten übernommenwestsidebarbell

Die Verbesserung der General Physical Preparedness – der allgemeinen physischen Vorbereitung – wird immer wieder erwähnt und als Grundlage für hartes Training bezeichnet. Die Pausenzeiten am Dynamic Effort Tag sollten 45 Sekunden betragen und viele der Assistenzübungen werden in Supersätzen oder Minizirkeln ausgeführt. Das Training sollte immer hart und schnell sein. Auch am Max Effort Tag müssen die Pausen nicht 5 Minuten betragen. Zusammen mit Dingen wie Schlittenziehen und Schubkarrenschieben wird so eine generelle Fitness erreicht, welche auch zu einer verbesserten Regeneration führt. Ein Punkt der meist in der Adaptation dieses Systems übergangen wird.

Was hat das mit Louie Simmons Wesen zu tun?

Das System durch zwei Dinge geprägt:

  1. Intensität
  2. Steter Wandel

Eine hohe subjektive Intensität im Training ist elementar bei Westside. Louie Simmons liebt es, wenn Athleten sich gegenseitig antreiben – oft auch am Rande der physischen Auseinandersetzung. Der bedingungslose Kampf immer besser zu sein als die anderen ohne gleichzeitig das Gemeinschaftsgefühl zu verlieren ist die Idealvorstellung von Louie. Nur mit dieser Einstellung kann der Max Effort Tag gelingen – aber auch eine maximale Beschleunigung am DE Tag zu erreichen geht fast nur, wenn man sich gegenseitig antreibt. Das Volumen der Lifts ist nur kontrolliert bei den Mainlifts. Das Volumen der Assistance Lifts ist vor allem eins: möglichst hoch.

Der stete Wandel ist bedingt durch Louies andauernde Suche nach besseren Wegen. Somit wandeln sich auch innerhalb der Artikel und Bücher die % Angaben und auch die einzelnen Waves. Das sollte man aber nicht als Verwirrung begreifen sondern viel mehr als Evolution.

 

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2 Gedanken zu „Westside Barbell – Often criticized never analyzed“

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