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Submaximale vs. maximale Belastung – Nerdtum und Hardcorebereich der Wiederholungszahlen

Als Krafttrainierende sind wir es gewöhnt Intensität mit der Last gleich zu setzen, also den % 1RM. Andererseits gibt es natürlich das hardcore Feeling der hohen Belastung, wie man es bei 20er Kniebeugen hat.

Was ist also Intensität im Krafttraining?

Das ist besonders dann eine wichtig, wenn wir uns mit der Trainingsplanung und der  Frage, wieviele Sätze mit wieviel Wiederholungen befassen. Wie kann ein Gewichtheber drei mal am Tag trainieren und das fünf Tage die Woche und ein Bodybuilder  jeden Tag nur eine Körperpartie ??

Die Intensität im Krafttraining wird meist in % des 1RM also des 1er Wiederholungsmaximums ausgedrückt. Bezeichnet man dies als objektive Intensität kann man dem gegenüber noch die subjektive oder relative Intensität stellen. Diese bezeichnet wie auslastend die Wiederholungen in einem Satz sind also: Wären da noch mehr gegangen? Diese Form der Intensität entspricht dem RPE (rate of perceived exertion) Model, das auch Mike Tuscherer anwendet.

Was hat das nun mit der Wahl der Wiederholungen und der Trainingsfrequenz zu tun?

Der Bodybuilder beruft sich auf die Aussage, dass eine Muskelpartie zwischen 24 und 48 Stunden braucht, um sich zu regenerieren. Der Gewichtheber trainiert schon mal keine Muskelgruppen sondern Bewegungen (moment mal, ist das etwa functional training?) und weiß nicht, warum er das nicht jeden Tag tun sollte – mehr Übung macht perfekt.

Doch wie können beide Aussagen korrekt sein und wieso sind dann Gewichtheber trotzdem muskulös? 

Lauter Fragen, welche sich einem Stellen so bald man sich mit diesem Thema befasst. Dann wollen wir sie mal der Reihe nach aufrollen.

Was sind die Regenerationszeiten?

Hierzu finden wir bei Zatsiorsky(1) folgende Aufstellung:

Trainingsbelastung einer Einheit Erholungszeit, h
Extrem >72
sehr hoch 48-72
hoch 24-48
mittel 12-24
gering <12

Wie funktioniert das dann bei Gewichthebern? 

Variation der Lasten. Der große Unterschied, bezogen auf die Trainingsintensität und Frequenz, ist, dass Gewichtheber nicht nur maximale Wiederholungszahlen ausführen. Wenn in einem Plan Umsetzen mit 70%1RM für 3 Serien mit 2 Wiederholungen steht ist das submaximal – es wären mit dem gleichen Gewicht mehr Übungen möglich.  Nun ist das bei einem Sport wie Gewichtheben eventuell einleuchtend, da die Schnellkraftkomponente hoch ist. Wieso kann man das auch zur Steigerung der Kraft in der Kniebeuge nutzen?

1.) Mehr Volumen

Nehmen wir an ich mache in einer Trainingseinheit 4 Sätze a 8 Wiederholungen mit 75%1RM wäre dies schon im ersten Satz nahezu maximal. (siehe Tabelle von Mladen Jovanovic (2)) Es wäre sicherlich nicht möglich zwei Tage später wieder eine Einheit mit vier Sätzen und acht Wiederholungen in der Kniebeuge zu absolvieren. Eventuell drei Tage später ginge das, so dass ich auf zwei Kniebeugen Einheiten in der Woche kommen könnte.

table1

 

Würde ich nun die vier Sätze mit acht Wiederholungen mit einer Intensität von nur 67,5%1RM machen, wäre ich zwei Tage später so gut wie erholt ( Das entspricht wohl eher einer mittleren Einheit). Es wäre somit möglich wieder eine Einheit mit vier Sätzen und acht Wiederholungen und einer Last von 67,5%1RM zu absolvieren – und dann nochmal. Ich könnte also statt 64 Wiederholungen Kniebeugen in einer Woche 96 Wiederholungen durchführen. Ja mit einer niedrigeren Intensität, aber die Frequenz der Einheiten spielt hier  eine Rolle als Stimulus.

2.) Relative Intensität und Technik

Die Technik ist negativ beeinflusst von Ermüdung. Ebenso verhält es sich mit der Hantelgeschwindigkeit. Wie wir spätestens seit dem Schnellkraftartikel wissen, spielt die Beschleunigung eine wichtige Rolle in der Rekrutierung der Muskelfasern. Gute Technik und hohe Geschwindigkeit können also auch als Stimulus fungieren.

Aber wie steuere ich dann das Training?

Hier kommen wir ein wenig ab vom Thema, aber so viel sei gesagt, auch hier muss mit der Zeit das Volumen/der Umfang steigen und/oder die Intensität.

Ist es nun besser mit submaximaler Intensität zu trainieren? 

Wie immer kommt es ganz auf die Ziele an und ein Bodybuilder hat schon seine Gründe bis zum Muskelversagen zu gehen. Dennoch können Bodybuilder auch vom Ansatz der Gewichtheber profitieren, um das ein oder andere Plateau zu überwinden. Für die meisten Athleten lohnt sich ein submaximaler Ansatz in den Hauptübungen, da hier die Technik und Ausführungsgeschwindigkeit im Vordergrund stehen. Zudem hat jeder Athlet noch weitere Trainingseinflüsse, aus dem eigentlichen Sport, die auch ihre Anpassung verlangen und somit in punkto Regeneration bedacht werden müssen.

Für einen Athleten gilt eben ganz besonders:

Train optimally not maximally

Euer Coach B

(1) V.M. Zatsiorsky, Krafttraining – Praxis und Wissenschaft; 2. Auflage, Meyer & Meyer Verlag, 2000

(2) Mladen Jovanovic, www.complementarytraining.net

Was Schnellkraft wirklich ist – TEIL 2 Wie trainiere ich?

Nachdem ich in Teil 1 die Bedeutung der Maximalkraft hervorgehoben habe möchte ich im zweiten Teil auf die Trainingsmethodik hierzu eingehen.

Bei Zatsiorsky (1) lesen wir hierzu:

“Heben einer maximalen Last (Bewegungsausführung gegen einen maximalen Widerstand) – die Methode maximaler Krafteinsätze”

Es müssen also maximale Lasten – mindestens 90%1RM  – bewegtP1050743 werden. Dieses Training liest man an anderer Stelle als Intramuskuläres Koordinations Training oder bei Güllich und Schmidtbleicher (2) :

” Die höchste willkürlich realisierbare Rekrutierung wird nur bei Lasten erreicht, die >90% der Maximalkraft entsprechen(…).Die möglichst schnelle Aktivierung wird erreicht, indem gegen diese Lasten möglichst steile initiale Kraftanstiege produziert werden, indem möglichst explosiv gearbeitet wird.”

Wir können also Maximalkraft trainieren und so das Zusammenspiel zwischen Nerv und Muskel verbessern, was wiederum zu einer gesteigerten Explosivkraft führt.

Also doch nur schwer trainieren? Nicht ganz. 

Jetzt kommt es natürlich auf den Kontext an – sprich darauf für was wir eigentlich trainieren – Basketball, Football, Fussball, Sprint, Vertical jump etc. Bevor wir darauf eingehen, bleiben wir erstmal noch bei den Möglichkeiten, die das Krafttraining bietet.

Training mit niedrigen Lasten und hoher Geschwindigkeit

Werden im Training relative niedrige Lasten angewendet ist die tatsächliche Beschleunigung hoch. Wir reden hier von Lasten <60% 1RM. Da bei dieser Last bei gewöhnlichen Kraftübungen zu Beginn der Bewegung schon ein großer Impuls auf die Hantel übertragen wurde – die Hantel fliegt quasi schon – sollte eine Variante des anpassbaren Widerstands genutzt werden, also Bänder oder Ketten. Somit kann quasi durchgehend beschleunigt werden.

Dieses Training ist nur dann erfolgreich, wenn wieder maximal beschleunigt wird.

Schnelligkeit ist somit IMMER von dem Bestreben maximal schnell zu arbeiten abhängig!

Hierzu gibt es ein paar schöne Hilfsmittel, welche die Hantelgeschwindigkeit messen und so dem Athleten und Coach ein direktes Feedback über die tatsächliche Geschwindigkeit geben.

Hier sind besonders das Push Band und das Gymaware hervorzuheben.

Da dieses Thema den Rahmen dieses Artikels jedoch sprengt, wird es eine eigene Reihe zum Thema velocity based strengt training geben.

Was kann man dann noch im Gym nutzen, um seine Explosivkraft zu steigern? 

NicojumpSprünge sind immer maximal beschleunigt – langsam springen geht nicht. Selbstverständlich habe ich im Rahmen des Sprungtraining wieder ein Spektrum von langsamen Sprüngen mit Zusatzgewichten, bis hin zu schnellen Sprüngen ohne weiteres Gewicht und reaktiven Sprüngen mit extrem kurzen Bodenkontaktzeiten (<200ms!!).

“Various jumps and bounds prove themselves very useful as a means of stimulating the neuromuscular process as it relates to sprinting.” (3)

Es ist empfehlenswert das ganze Spektrum in sein Training zu integrieren und ich werde versuchen demnächst möglichst praktische Anwendungsbeispiele für die Integration von Sprüngen in das eigene Training zu liefern. Ein einfacher Tipp ist schon mal:

Was dir am schwersten fällt solltest du verbessern.

Reaktive Sprünge sind beanspruchend und bedürfen einer Vorbereitungsphase und eines kontrollierten Volumens. Sprünge auf Boxen sind sehr wenig belastend, da das “Fallen” weggenommen wird – das ist auch der hauptsächliche Sinn von Boxjumps!. Dementsprechend kannst Du von diesen Sprüngen wesentlich mehr in dein Training einbauen.

Was sind reaktive Sprünge? Alle Sprünge mit einem kurzen Bodenkontakt (<200ms). Diese Sprünge sind zudem immer mit nur wenig Kniebeugung, während Sprünge mit einem langen Dehnungs-Verkürzungszyklus auch meist mit mehr Knie- und Hüftbeugung einher gehen. Aufgrund der Spezifik oder Ähnlichkeit der Beugewinkel zu verschiedenen Phasen und vor allem aufgrund der unterschiedlichen Arbeitsweise sind relative Sprünge besonders relevant, um Topspeed zu verbessern. Sprünge mit langem DVZ sind hingegen das Mittel der Wahl, um die Beschleunigung zu trainieren. (3)

Da die meisten Spielsportarten relativ wenig Topspeed Elemente haben (ja tatsächlich), aber aus wiederholten Beschleunigungen bestehen, sollte eure Auswahl der Sprünge das auch widerspiegeln.

Also frohes Springen und heben!

Euer Coach B

(1) V.M. Zatsiorsky, Krafttraining – Praxis und Wissenschaft; 2. Auflage, Meyer & Meyer Verlag, 2000

(2)Güllich, A., Schmidtbleicher,D.; Struktur der Kraftfähigkeiten und ihrer Trainingsmethoden, Deutsche Zeits. f. Sportmedizin, Jahrgang 50, Nr 7+8 (1999)

(3) James Smith, Applied Sprint Training Manual

Was ist Schnellkraft Teil 2.

In Teil 1 haben wir festgestellt, dass Maximalkraft eine entscheidende Voraussetzung für die Schnellkraft ist. Bedeutet das nun, dass ihr nur eure Maximalkraft steigern müsst und schnell werdet?

Dazu müssen wir drei Dinge klären:

  1. Wie stark seid ihr denn?
  2. Für was möchtet ihr schnell werden? 
  3. Welche Trainingsmöglichkeiten habt ihr? 

Wie stark seid ihr? 

Die Maximalkraft stellt also die maximale Kapazität dar, die ich durch Schnellkraft erreichen kann, denn Schnellkraft bedeutet ja nur eine zeitliche Limitierung.  Entscheidend hierfür ist die Explosivkraft, welche einfach nur sagt wie steil mein Kraftanstieg ist.

Wir stellen uns also ein Wasserglas vor – die Maximalkraft – welches ich mit Wasser – der Schnellkraft – füllen kann. Die Explosivkraft regelt wieviel Wasser ich ins Glas gießen kann.

So weit so gut, dieses Glas hat nur eine Besonderheit: Bis zu einer gewissen Größe, wir sagen mal bis zum Masskrug, ist das Glas IMMER mit 30% Wasser gefüllt. Mache ich also das Glas größer, ist automatisch mehr Wasser drin. Gieße ich Wasser rein, kann ich das Ganze noch auffüllen.

Wenn dein Glas klein ist, mach es größer und nicht gleich voll!

Die Frage, die sich nun stellt ist, welcher Maximalkraftwerk stellt nun den Masskrug dar? Das ist schwierig festzulegen, allerdings findet man bei guten Trainern und Wissenschaftlern wie z.B. Dan Baker immer wieder Angaben von 1,5 -2,0 x Körpergewicht als Kniebeugenleistung. Was nicht gerade viel ist und vor allem mit wenig Trainingsaufwand und sehr wenig Risiko gut zu erreichen ist. Man beachte die Relation zum Körpergewicht – also nur pumpen haut auch nicht hin.

Wenn ihr das nicht erreicht, sollte euer Hauptfokus darauf liegen.

Wofür wollt ihr schnell werden? 

P1060393

Schnellkraft hat einen zeitlichen Rahmen. Im Sport ist der zeitliche Rahmen meist die Zeit in der ihr Kontakt zum Boden habt – ja nur dann kann man Kraft entwickeln die einen nennenswert nach vorne bringt.

Beschleunigung aus dem Stand geht mit einer höheren Bodenkontaktzeit einher, genauso wie ein Richtungswechsel; Topspeed ist mit kürzeren Bodenkontakten verbunden; Sprünge aus dem Stand haben einen größeres Zeitfenster.

Will ich also aus dem Stand auf eine Box springen hab ich viel Zeit – dementsprechend hilft die Maximalkraft mehr oder wie es bei Güllich und Schmidtbleicher so schön heisst:

Langer DVZ ( >200ms) wird überwiegend durch das dynamisch realisierte Kraftmaximum und somit über Maximalkraft bestimmt.

Wie immer gilt, man muss wissen für was man trainiert!

Welche Trainingsmöglichkeiten habt ihr? 

Selbstverständlich wäre ein Sprinttraining im Winter ein wichtiger Bestandteil, wenn ich für meine Saison im Frühjahr/Sommer schneller werden möchte. Wenn es jedoch draussen schneit, keine Möglichkeit eine Halle zu benutzen besteht und ich dementsprechend keine realistische Variante habe Sprinttraining in dieser Phase zu nutzen, dann muss ich den bestmöglichen Weg für mich finden.

Ich weiß nicht mehr wo ich es gelesen habe (ich meine irgendwo bei Charlie Francis) , aber diese Geschichte ist mir im Kopf geblieben:

Ein russischer Trainer hat seine Athletin (Hochsprung) im Winter Anläufe im knietiefen Schnee trainieren lassen, einfach nur weil keine andere Möglichkeit bestand. Das war nur ein kleiner Teil des Trainings. Die Athletin gewann die Weltmeisterschaft und die Trainer der Konkurrenten wollten natürlich wissen wie trainiert wurde. Als sie von den Anläufen im Schnee gehört hatten, wollten sie das sofort nachahmen, denn das musste das Geheimnis sein. Der russische Trainer war verwundert als er das mitbekam, weil er das Training ganz anders aufziehen würde, wenn er nur die Möglichkeit hätte in einer Halle Anläufe zu trainieren! Und er war überzeugt, dass er seine Athletin so noch besser machen könnte.

Also lernen wir: 

  • Nicht so viel Youtube Videos schauen von irgendwelchen krassen Typen und einfach nachahmen. 
  • Nicht darüber aufregen was ihr nicht habt, sondern das nützen, was euch zur Verfügung steht.

So genug für heute, um darüber nachzudenken bis der nächste Teil folgt. Falls ihr Fragen habt – raus damit, euer Training soll besser werden.

Bleibt stark,

Coach B