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Speed for Sports – Warum Powerlifting nicht die Lösung ist.

Ich selbst bin Powerlifter. Auf diesem Blog habe ich mehrmals schon die Wichtigkeit der Maximalkraft für Athleten hervorgehoben. Und jetzt das: Powerlifting ist nicht die Lösung, um schneller zu werden…

Soll das jetzt bedeuten, dass Kniebeugen, Kreuzheben und Bankdrücken wertlos sind für Sportler? Doch die Rückkehr zum Functional Training, als Gral der sportlichen Leistungsfähigkeit?

Natürlich nicht. Doch Powerlifting ist eine Sportart, deren einziges Ziel es ist möglichst viel Gewicht in drei Übungen zu bewältigen. Die übungsspezifische Maximalkraft ist also das absolute Ziel. Für jeden Athleten ist die generelle Maximalkraft die absolute Grundlage, um seine Leistungsfähigkeit zu maximieren. Sogar für Gewichtheber ist die generelle Maximalkraft, in Grundübungen wie Zügen und Beugen, die Basis der spezifischen maximalen Leistung.

 Squats for weightliftingMOTW
Quelle: Managing the Training of the Weightlifter.
Für einen Footballer ist allerdings die Tatsache, dass er zweifaches Körpergewicht beugen kann nicht wichtig – wichtig ist die Tatsache, dass diese Leistung zeigt wieviel generelle Kraft er in einer Unterkörper fokussierten Bewegung hat. Die Kniebeuge wäre hier zweierlei:
1. Entwicklungsübung
2. Test
Das muss nicht immer übereinstimmen. So kann ich meinen vertical jump eventuell verbessern in dem ich Kniebeugen mache. Dann verhält es sich so:
Entwicklungsübung: Kniebeuge
Test: Vertical Jump
Wie ich immer wieder betone geht es im Training um die erwünschten Anpassungen nicht um die Übungen. Dementsprechend hat die Kniebeuge nicht die allerheiligste Bedeutung und mag in manchen Fällen durchaus durch eine Frontkniebeuge, eine Kreuzhebevariante oder ähnliches ersetzt werden. Es geht lediglich um die bestmögliche Entwicklung der generellen Maximalkraft des “Unterkörpers”. Diese kann dann durch spezifischere Übungen und die Wettkampfübungen in sportartspezifische Leistungsfähigkeit transferiert werden.
In jedem Grundlagenbuch liest man den Fakt, dass die Spezifik im Training sich mit zunehmendem Trainingsalter steigern muss. Das heisst aber auch nicht gleich von Beginn an!
Auf welcher Basis soll ich aufbauen?
Um Dr. Mike Young in seinem Interview mit dem Historic Performance Podcast (Folge 29) zu zitieren:
” Another thing that I would say needs to be addressed is a focus on the bascis. In the sports that I deal with (Track and Field) were speed is the sport, it has long been recognized that you don’t get faster doing fru-fru and fluff and gimmicky type activities.”
Krafttraining ist die Manipulation der Kraft-Zeit-Kurve ist. Mit Maximalkrafttraining  schiebt man diese nach oben, mit Explosivkrafttraining gestaltet man den Anstieg steiler. Das ist die Grundlage sportartspezifischen Trainings. Mit welcher Übung man das macht entscheidet sich aus vielen Faktoren und während Kniebeugen und Kreuzheben einen großen Anteil an der Entwicklung eines Athleten haben können sind sie nur ein Teil der Lösung. Die Wahl der Übung muss sich immer und vor allem an den biomechanischen Gegebenheiten des Athleten orientieren und nicht an den Vorlieben des Trainers, denn im Wettkampf werden ja nicht Kniebeuge, Bankdrücken und Kreuzheben getestet…
Außer bei uns Powerliftern.
Coach B
1. The Training of the Weightlifter; R.A. Roman; Livonia Michigan: 1988 Sportivny Press
2. Historic Performance Podcast #29 – Dr. Mike Young

Was Schnellkraft wirklich ist – TEIL 2 Wie trainiere ich?

Nachdem ich in Teil 1 die Bedeutung der Maximalkraft hervorgehoben habe möchte ich im zweiten Teil auf die Trainingsmethodik hierzu eingehen.

Bei Zatsiorsky (1) lesen wir hierzu:

“Heben einer maximalen Last (Bewegungsausführung gegen einen maximalen Widerstand) – die Methode maximaler Krafteinsätze”

Es müssen also maximale Lasten – mindestens 90%1RM  – bewegtP1050743 werden. Dieses Training liest man an anderer Stelle als Intramuskuläres Koordinations Training oder bei Güllich und Schmidtbleicher (2) :

” Die höchste willkürlich realisierbare Rekrutierung wird nur bei Lasten erreicht, die >90% der Maximalkraft entsprechen(…).Die möglichst schnelle Aktivierung wird erreicht, indem gegen diese Lasten möglichst steile initiale Kraftanstiege produziert werden, indem möglichst explosiv gearbeitet wird.”

Wir können also Maximalkraft trainieren und so das Zusammenspiel zwischen Nerv und Muskel verbessern, was wiederum zu einer gesteigerten Explosivkraft führt.

Also doch nur schwer trainieren? Nicht ganz. 

Jetzt kommt es natürlich auf den Kontext an – sprich darauf für was wir eigentlich trainieren – Basketball, Football, Fussball, Sprint, Vertical jump etc. Bevor wir darauf eingehen, bleiben wir erstmal noch bei den Möglichkeiten, die das Krafttraining bietet.

Training mit niedrigen Lasten und hoher Geschwindigkeit

Werden im Training relative niedrige Lasten angewendet ist die tatsächliche Beschleunigung hoch. Wir reden hier von Lasten <60% 1RM. Da bei dieser Last bei gewöhnlichen Kraftübungen zu Beginn der Bewegung schon ein großer Impuls auf die Hantel übertragen wurde – die Hantel fliegt quasi schon – sollte eine Variante des anpassbaren Widerstands genutzt werden, also Bänder oder Ketten. Somit kann quasi durchgehend beschleunigt werden.

Dieses Training ist nur dann erfolgreich, wenn wieder maximal beschleunigt wird.

Schnelligkeit ist somit IMMER von dem Bestreben maximal schnell zu arbeiten abhängig!

Hierzu gibt es ein paar schöne Hilfsmittel, welche die Hantelgeschwindigkeit messen und so dem Athleten und Coach ein direktes Feedback über die tatsächliche Geschwindigkeit geben.

Hier sind besonders das Push Band und das Gymaware hervorzuheben.

Da dieses Thema den Rahmen dieses Artikels jedoch sprengt, wird es eine eigene Reihe zum Thema velocity based strengt training geben.

Was kann man dann noch im Gym nutzen, um seine Explosivkraft zu steigern? 

NicojumpSprünge sind immer maximal beschleunigt – langsam springen geht nicht. Selbstverständlich habe ich im Rahmen des Sprungtraining wieder ein Spektrum von langsamen Sprüngen mit Zusatzgewichten, bis hin zu schnellen Sprüngen ohne weiteres Gewicht und reaktiven Sprüngen mit extrem kurzen Bodenkontaktzeiten (<200ms!!).

“Various jumps and bounds prove themselves very useful as a means of stimulating the neuromuscular process as it relates to sprinting.” (3)

Es ist empfehlenswert das ganze Spektrum in sein Training zu integrieren und ich werde versuchen demnächst möglichst praktische Anwendungsbeispiele für die Integration von Sprüngen in das eigene Training zu liefern. Ein einfacher Tipp ist schon mal:

Was dir am schwersten fällt solltest du verbessern.

Reaktive Sprünge sind beanspruchend und bedürfen einer Vorbereitungsphase und eines kontrollierten Volumens. Sprünge auf Boxen sind sehr wenig belastend, da das “Fallen” weggenommen wird – das ist auch der hauptsächliche Sinn von Boxjumps!. Dementsprechend kannst Du von diesen Sprüngen wesentlich mehr in dein Training einbauen.

Was sind reaktive Sprünge? Alle Sprünge mit einem kurzen Bodenkontakt (<200ms). Diese Sprünge sind zudem immer mit nur wenig Kniebeugung, während Sprünge mit einem langen Dehnungs-Verkürzungszyklus auch meist mit mehr Knie- und Hüftbeugung einher gehen. Aufgrund der Spezifik oder Ähnlichkeit der Beugewinkel zu verschiedenen Phasen und vor allem aufgrund der unterschiedlichen Arbeitsweise sind relative Sprünge besonders relevant, um Topspeed zu verbessern. Sprünge mit langem DVZ sind hingegen das Mittel der Wahl, um die Beschleunigung zu trainieren. (3)

Da die meisten Spielsportarten relativ wenig Topspeed Elemente haben (ja tatsächlich), aber aus wiederholten Beschleunigungen bestehen, sollte eure Auswahl der Sprünge das auch widerspiegeln.

Also frohes Springen und heben!

Euer Coach B

(1) V.M. Zatsiorsky, Krafttraining – Praxis und Wissenschaft; 2. Auflage, Meyer & Meyer Verlag, 2000

(2)Güllich, A., Schmidtbleicher,D.; Struktur der Kraftfähigkeiten und ihrer Trainingsmethoden, Deutsche Zeits. f. Sportmedizin, Jahrgang 50, Nr 7+8 (1999)

(3) James Smith, Applied Sprint Training Manual

Was ist Schnellkraft Teil 2.

In Teil 1 haben wir festgestellt, dass Maximalkraft eine entscheidende Voraussetzung für die Schnellkraft ist. Bedeutet das nun, dass ihr nur eure Maximalkraft steigern müsst und schnell werdet?

Dazu müssen wir drei Dinge klären:

  1. Wie stark seid ihr denn?
  2. Für was möchtet ihr schnell werden? 
  3. Welche Trainingsmöglichkeiten habt ihr? 

Wie stark seid ihr? 

Die Maximalkraft stellt also die maximale Kapazität dar, die ich durch Schnellkraft erreichen kann, denn Schnellkraft bedeutet ja nur eine zeitliche Limitierung.  Entscheidend hierfür ist die Explosivkraft, welche einfach nur sagt wie steil mein Kraftanstieg ist.

Wir stellen uns also ein Wasserglas vor – die Maximalkraft – welches ich mit Wasser – der Schnellkraft – füllen kann. Die Explosivkraft regelt wieviel Wasser ich ins Glas gießen kann.

So weit so gut, dieses Glas hat nur eine Besonderheit: Bis zu einer gewissen Größe, wir sagen mal bis zum Masskrug, ist das Glas IMMER mit 30% Wasser gefüllt. Mache ich also das Glas größer, ist automatisch mehr Wasser drin. Gieße ich Wasser rein, kann ich das Ganze noch auffüllen.

Wenn dein Glas klein ist, mach es größer und nicht gleich voll!

Die Frage, die sich nun stellt ist, welcher Maximalkraftwerk stellt nun den Masskrug dar? Das ist schwierig festzulegen, allerdings findet man bei guten Trainern und Wissenschaftlern wie z.B. Dan Baker immer wieder Angaben von 1,5 -2,0 x Körpergewicht als Kniebeugenleistung. Was nicht gerade viel ist und vor allem mit wenig Trainingsaufwand und sehr wenig Risiko gut zu erreichen ist. Man beachte die Relation zum Körpergewicht – also nur pumpen haut auch nicht hin.

Wenn ihr das nicht erreicht, sollte euer Hauptfokus darauf liegen.

Wofür wollt ihr schnell werden? 

P1060393

Schnellkraft hat einen zeitlichen Rahmen. Im Sport ist der zeitliche Rahmen meist die Zeit in der ihr Kontakt zum Boden habt – ja nur dann kann man Kraft entwickeln die einen nennenswert nach vorne bringt.

Beschleunigung aus dem Stand geht mit einer höheren Bodenkontaktzeit einher, genauso wie ein Richtungswechsel; Topspeed ist mit kürzeren Bodenkontakten verbunden; Sprünge aus dem Stand haben einen größeres Zeitfenster.

Will ich also aus dem Stand auf eine Box springen hab ich viel Zeit – dementsprechend hilft die Maximalkraft mehr oder wie es bei Güllich und Schmidtbleicher so schön heisst:

Langer DVZ ( >200ms) wird überwiegend durch das dynamisch realisierte Kraftmaximum und somit über Maximalkraft bestimmt.

Wie immer gilt, man muss wissen für was man trainiert!

Welche Trainingsmöglichkeiten habt ihr? 

Selbstverständlich wäre ein Sprinttraining im Winter ein wichtiger Bestandteil, wenn ich für meine Saison im Frühjahr/Sommer schneller werden möchte. Wenn es jedoch draussen schneit, keine Möglichkeit eine Halle zu benutzen besteht und ich dementsprechend keine realistische Variante habe Sprinttraining in dieser Phase zu nutzen, dann muss ich den bestmöglichen Weg für mich finden.

Ich weiß nicht mehr wo ich es gelesen habe (ich meine irgendwo bei Charlie Francis) , aber diese Geschichte ist mir im Kopf geblieben:

Ein russischer Trainer hat seine Athletin (Hochsprung) im Winter Anläufe im knietiefen Schnee trainieren lassen, einfach nur weil keine andere Möglichkeit bestand. Das war nur ein kleiner Teil des Trainings. Die Athletin gewann die Weltmeisterschaft und die Trainer der Konkurrenten wollten natürlich wissen wie trainiert wurde. Als sie von den Anläufen im Schnee gehört hatten, wollten sie das sofort nachahmen, denn das musste das Geheimnis sein. Der russische Trainer war verwundert als er das mitbekam, weil er das Training ganz anders aufziehen würde, wenn er nur die Möglichkeit hätte in einer Halle Anläufe zu trainieren! Und er war überzeugt, dass er seine Athletin so noch besser machen könnte.

Also lernen wir: 

  • Nicht so viel Youtube Videos schauen von irgendwelchen krassen Typen und einfach nachahmen. 
  • Nicht darüber aufregen was ihr nicht habt, sondern das nützen, was euch zur Verfügung steht.

So genug für heute, um darüber nachzudenken bis der nächste Teil folgt. Falls ihr Fragen habt – raus damit, euer Training soll besser werden.

Bleibt stark,

Coach B