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Wenig wissen wir, aber genug

Ein Hauptantrieb für diesen Blog besteht darin Wissen zum Thema Training und Trainingsplanung zu liefern, welches nicht durch Fitnesstrends und Hypes motiviert ist. Selbst im Profisport sind diese Trends zu sehen und so schön ein wenig Variation ist, so sehr frustrierend sind die Ergebnisse für viele.

Nicholas Nassim Taleb und Training 

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Wer den Namen Nicholas Nassem Taler noch nicht gehört hat sollte sich sein Buch Antifragilität zu Gemüte führen oder am besten gleich alle Bücher.

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Und während viele dieses Konzept direkt auf Training und die vermeintliche Antifragilität von Athleten übertragen (darüber wird es noch einen Artikel geben) hat mir dieses Buch besonders in zwei Aspekten die Augen geöffnet:

  1. Wir wissen so viel weniger als wir meinen.
  2. Wir deuten zu viele Zusammenhänge retrospektiv falsch.

In diesem kleinen Beitrag möchte ich mich Punkt Nummer 1 widmen, aber dennoch garantieren ich, dass ich nicht auf einer depressiven, nicht weiterhelfenden Weise ende mit: also wissen wir einfach nichts.

Dann stürzen wir uns ins Vergnügen:

Volumen

Wie in meinem Artikel aus der Understanding Strength Serie zu sehen habe ich keine konkreten Rahmen für das Volumen gegeben – oder geben können. Und warum? Weil es hierfür keinen konkreten Rahmen gibt.

Aber was ist mit Prilepin?

Prilepins Tafel gibt uns einen schönen Richtwert für Wiederholungen, Sätze und Gesamtwiederholungen in Relation zur Intensität. Sieht dann so aus:

Prilepins Tafel

Das sind doch schön konkrete Angaben oder nicht? Prilepins Augenmerk hierbei lag auf der Maximierung des Poweroutputs bei Gewichtheberübungen. Kann man das also direkt auf die Grundübungen übertragen? Es wird häufig gemacht und erweist sich als generell guter Ausgangspunkt. Aber…

  1. Wieviel davon in einer Woche? Einem Monat?
  2. Ist das nicht auch von der Frequenz abhängig?
  3. Wo in dieser Range soll ich dann ansetzen?
  4. Was ist mit Hypertrophie oder Kraft

Eine Quelle die zu vieler dieser Fragen eine konkrete Angabe macht ist Eric Helms – sicherlich die respektable Quelle. In “The Muscle and Strength Pyramid Training” findet man die folgende Empfehlung:

Volume: 40-70 reps/muscle group/session 

Consider overlap and heavy warm up sets

Diese Empfehlung stammt von einem Review von Wernborn et colleagues 2007 zu Frequenz, Intensität und Volumen.

Weiter finden wir hier sogar Empfehlungen in Kombination mit der Intensität:

For strength: Perform 2/3 – 3/4 of total volume in the 1-6RM range 

For Hypertrophy: Perform 2/3 – 3/4 of total volume in the 6-12RM range

Na da haben wir es doch!

Und zur Frequenz finden wir auch noch 2-3x/Woche/Muskelgruppe!

Also alles prima!? 

Wir haben hier Richtlinien die auf Verallgemeinerungen basieren und eben deshalb schreibt auch Mr. Helms, dass es sich hier nur um Ausgangspunkte handelt. Denn im Grunde genommen wissen wir hier nicht wirklich viel. Alleine die Tatsache der Wiederholungszahlen die wir nutzen spiegelt unsere Neigung zur Zufälligkeit wider:

Wdh zahlen

Satz und Wiederholungskombination spiegeln es noch besser wieder:

3×1, 3×3, 5×3, 4×4, 5×5, 6×6, 4×8, 3×10, 3×12, 3×15 …

Wie ist das dann mit der Intensität?

Wir wissen ja ab wann Krafttraining wirksam wird. Oder tun wir das?

In deutschen Gewichtheber Kreisen beginnt man das Volumen zu bestimmen ab einer Intensität von 60%1RM – so wie es bei den Russen auch gemacht wurde. Im KDK gibt es durchaus Nationen die schon ab 50%1RM Training nutzen und das nicht wenig erfolgreich.  Seit es mehr Forschung zum Einfluss von Geschwindigkeit gibt haben wir einen weiteren Einflussfaktor auf das Konstrukt der Intensität. 

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Eine Wiederholung mit maximaler Beschleunigung mit 85%1RM hat also vielleicht einen anderen Impact als die selbe Wiederholung mit submaximaler Beschleunigung. Noch kann man nicht viel dazu sagen, aber es gibt natürlich theoretische Modelle, welche das sehr schön begründen.

In russischen Gewichtheber Büchern finden wir den Bereich 70-80% 1RM als den Bereich angegeben, in dem sich Kraft am besten entwickeln lässt. Wieder mal eine schön konkrete Angabe. Und wir wissen ja zum “peaken” (auch darüber soll in Zukunft ein Artikel folgen) brauchen wir 90%1RM +..

Wieviel wir in welchem Bereich trainieren sollten weiß keiner. Auch wenn jeder davon überzeugt ist, dass sein Ansatz richtig ist. Und vieles was wir hierzu finden beruht auf dem Bestätigungsfehler. Es hat funktioniert, auch mehrmals, also ist es die Lösung. Doch wir wissen nicht, ob es eine bessere Lösung gäbe. Vielleicht habt ihr den Artikel zur Texas Method gelesen und somit mein Urteil – dennoch sind schon Leute damit stark geworden. Aber nur weil Real Madrid die Champions League gewonnen hat haben sie nicht das beste Training – ebenso werden wir nicht die gleichen Fortschritte mit Blaine Sumners Programm machen wie er.

Die Variation des Maximums und die Autoregulation 

Wir sind nicht jeden Tag gleich stark. Deswegen können wir nicht jeden Tag das gleiche Maximum nützen sondern sollten uns nach dem richten, was an diesem Tag möglich ist. So die Theorie der Autoregulation – zugegebenermaßen verkürzt dargestellt.

Die Kritik an prozentbasierenden Programmen ist eben, dass man nicht vorhersehen kann wie es einem an diesem Tag geht.  Das ist korrekt. Plant man das Training wiederum submaximal so hat man eine eingebaute Toleranz, wenn man so will. Genau die selbe Idee verfolgt Jim Wendler mit dem Trainingsmax. Kostet es uns nicht Fortschritt, wenn wir nicht immer das maximal Mögliche ausnutzen? Wohl kaum. Betrachtet auf Wochen, Monate, Jahre mittelt es sich wohl eher aus, als das es sich aufaddiert und hilft vielleicht Überlastungen zu vermeiden. Doch auch das ist ausreichend für einen eigenen Artikel. Worauf es mir hier ankommt:

Wir wissen es nicht. Es gibt natürlich Studien hierzu und Eric Helms forscht hierzu, aber das sind nur minimale Einblicke, die keinem wirklich wissenschaftlichem Status standhalten – warum? Weil wir immer zu viele unkontrollierbare Variablen haben werden.

Das Schöne: Beides funktioniert.

Und das soll auch der versöhnliche Abschluss sein.

Vertraut dem was nicht beworben wird

Alles was gerade der Hype ist wird nicht die Lösung sein.

Alles was über Jahre da war hat sicherlich eine Berechtigung.

Fortschritt ist eher leise, denn laut. 

Fitness ist der Teufel. 

Gut der letzte Punkt mag übertrieben sein und ich will den Teufel auch nicht beleidigen. Aber die Fitnessindustrie schafft mehr Illusionen als Resultate. Jetzt krabbeln die Menschen wie Tiere über den Boden auf der Hoffnung nach Verbindung zur Mutter Erde und körperlicher Erleuchtung, Faszien werden “trainiert” obwohl sie nicht nicht trainiert werden können, naja und die Nummer mit Functional fang ich jetzt nicht an.

So lange wir folgende Dinge beachten sind wir schon mal an einem guten Startpunkt:

  1. Kontinuität, Disziplin und langfristige Zielsetzung 
  2. Logische Progression
  3. Progression
  4. Variation
  5. Grundübungen als Grundgerüst 
  6. Eine Idee als Anfang

Und was genau ich damit meine gibt es dann im nächste Artikel. Bis dahin schmeißt alle Fitnessmagazine, Functional Training Literatur und Diätbücher weg oder besser, hebt sie auf und nehmt sie als Mahnmal.

 

Euer Coach B

 

 

Progressionen – Understanding Strength Serie

In unserem Training steht Fortschritt im Vordergrund und somit auch die Progression in unserem Training.  Wie kann man nun Progressionen einbauen?

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Intensität

Wer den Artikel zum Thema Intensität gelesen hat weiß nun, dass es mehrere Variablen gibt um diese zu beschreiben.  Systeme wie die Texas Method verwenden die einfachste Variante der Intensitätsprogression: Jede Woche mehr Gewicht.

5/3/1 folgt einer Intensitätssteigerung gekoppelt mit Senken des Volumens (also der  Zahl der absolvierten Wiederholungen).

Im Westside Barbell System wird bei in einer 3 Wochen Wave die Intensität gesteigert (DE Squat Tag) und dann jeden 3 Wochenblock durch Wahl einer intensiveren Übung (Safetysquat 1RM ist niedriger als Buffalo Bar etc) .

Eine Weitere Variante bietet die RPE als Maßstab der maximalen Auslastung. Hier kann ich die Wiederholungszahlen gleich lassen und von Woche zu Woche mit mehr Auslastung oder höheren RPE arbeiten.

Mehr Gewicht ist das Ziel, also ist es doch das sinnvollste das Gewicht im Training einfach immer weiter zu steigern oder? Aber was, wenn das nicht so einfach geht? Einfach mehr machen?

Volumen

Ein probates Mittel ist natürlich auch das Volumen zu steigern. Welche Möglichkeiten kann ich hier anwenden? Jede der Kennzahlen die wir bereits kennengelernt haben bietet hierfür Gelegenheit:

Number of Lifts: Steigerung der Wiederholungszahlen mit einem Gewicht. Oder einfach Steigerung der Sätze.

Tonnage: Steigerung des Gewicht bei gleichbleibenden Wiederholungs- und Satzzahlen.

Aber was macht nun Sinn? 

Beides natürlich, denn beides spricht unterschiedliche Ziele an. Während Intensitätssteigerung besonders wichtig ist für die zentral nervösen Anteile der Maximalkraft spricht mehr Volumen besonders die strukturellen Anpassungen an. Oder einfach gesagt:

Mehr Gewicht macht uns stärker mit der Muskelmasse die wir haben – mehr Volumen macht uns stärker durch mehr Muskelmasse.

Beide Dinge sollten also Bestandteil unserer Progression sein. So baut jedes Periodisierungsschema in der ein oder anderen Weise auf der komplementären also sich ergänzenden Natur beider Anpassungen auf.

Lineare Periodisierung: Erst Volumen, dann Intensität. Muskelmasse aufbauen und diese dann immer besser ausnützen.

Undulierende Periodisierung: Durch Abwechselnde Belastung werden unterschiedliche System taxiert. Somit kann sich eines erholen während ein anderes belastet wird.

Block Periodisierung: Genau wie lineare Periodisierung nur fokussierter.

Wer sich jetzt gerade frägt was das alles ist: Dazu kommt demnächst ein Artikel.

Was gilt es grundsätzlich zu beachten?

Es gibt eine inverse Relation zwischen Intensität und Volumen. Das heisst grundsätzlich sinkt das Volumen, wenn die Intensität steigt und umgekehrt.

Beispiel:

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Steigert man Volumen und Intensität in gleichzeitig bezeichnet man das als Stoßmikrozyklus (Oldschool klassisch), Overreaching (Newschool  Englisch) oder Smolov Cycle (Scherz aber wahr).  Eine solche Phase ist ein sehr intensiver Reiz und verlangt nach entsprechender Erholung nach so einer Belastung.

Wer sich jetzt denkt ich weiß immer noch nicht wieviele Wiederholungen ich machen muss um stark zu werden, dem sei gesagt: Alle.

Es wird nie einen magischen Wiederholungsbereich geben, nur für jeden Bereich einen bestimmten Zweck. Und eben das wird Inhalt eines weiteren Artikels aus dieser Serie sein.

Euer Coach B

Volumen – Wie viel ist viel? Understanding Strength Serie

Nach dem wir im letzten Artikel diverse Parameter zum Thema Intensität geklärt haben werden wir uns dieses Mal um den Trainingsumfang kümmern – das Volumen.

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Sind alle Wiederholungen gleich?

Die einfachste Variante zur Bestimmung des Umfangs ist das zählen der Wiederholungen – die Number of Lifts (NL).  Meist werden hier nur Wiederholungen erfasst die über 60%1RM liegen, also evtl. auch Aufwärmsätze. Das liegt einfach daran, dass angenommen wurde, dassunter dieser Schwelle die Last nicht ausreicht, um einen effektiven Stimulus zu bieten. Allerdings gibt es viele Coaches die mittlerweile schon ab 50%1RM Wdh zählen. Gerade wenn man Varianten, z.B. Pause Squats, vom normalen Maximum (Kniebeuge in diesem Fall)  berechnet oder mit Kadenzen wie 4s Absenken arbeitet.

NL haben nun Vor- und Nachteile:

Vorteile:

  • einfach zu kalkulieren
  • einfach zu vergleichen
  • Trackbar über das gesamte Jahr

Nachteile:

  • unabhängig von der Intensität

Zusammengefasst ist die einfache Handhabung das große Plus. Da nun aber evtl. Wdh mit 60% anders zu werten sind als Wdh mit 80% gibt es weitere Werte.

Tonnage 

Wdh x Sätze x Gewicht = Tonnage

So einfach ist die Tonnage zu berechnen. In der englischen Literatur spricht man hier von Volume Load. Der Vorteil liegt nicht nur in den massiven Tonnenzahlen die man so bewegt hat und die dann das Ego aufbauen. Man hat nun die Möglichkeit mittels Gewicht die Intensität quasi mit einzubeziehen.

Die große Crux an der Tonnage bleibt jedoch, dass auch hier die Intensität etwas verschwommen abgebildet wird. Warum? Hierzu ein Beispiel:

10 x 3 x 60kg = 1800kg

6 x 2 x 150kg = 1800kg

Sicherlich hätten beide Trainingseinheiten einen unterschiedlichen Impact. Besonders, wenn man nun noch mehrere Sätze miteinbeziehen wird es undeutlicher.

Der Korinthenkacker 

Die wahrscheinlich bürokratischste Lösung it die Einteilung in Number of Lifts in Intensitätszonen:

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Diese Variante bietet nun die Möglichkeit die Belastung der einzelnen Einheiten in Volumen und Intensität zu bestimmen.

Was macht Volumen?

Masse. Gainz. Die Grundlage um stärker zu werden. Volumen ist sicher ein treibender Faktor, wenn es um Hypertrophie und auch um Kraft geht. Allerdings liest man nicht nur bei Kurz (Science of Sports Training), dass es der Hauptfaktor für Übertraining ist. Tatsächlich ist Intensität etwas autoregulierend, da hier einfach das Nervensystem schlapp macht und die Intensität nach unten regelt. Demgegenüber kann Volumen sehr lange in einem zu hohen Bereich gefahren werden, bevor sich das Übertraining überhaupt bemerkbar macht.

In Managing the Training of the Weightlifter lesen wir jedoch, dass bei den sowjetischen Gewichthebern der unteren Klassifikationen (hier wurde nach Leistung in verschiedene Niveaustufen unterteilt) das ansteigende Volumen notwendig ist, um den Schritt auf das nächste Level zu machen. Erst bei den höheren Klassifikationen wird das Anheben der Intensität entscheidend. Diese Tatsache folgt auch einem ganz logischen Muster: Jeder Athlet muss erst ein mal eine solide Grundlage schaffen, muskulär und technisch, und das über einen langen Zeitraum (Wie hier schon erwähnt). Erst dann ist man auch in der Lage den Nutzen aus der steigenden Intensität zu ziehen. Zudem kommt auch hier der zeitökonomische Faktor ins Spiel: irgendwann kann man nicht noch mehr trainieren.

Ich hoffe ihr konntet auch dieses mal etwas mehr mitnehmen und zählt jetzt fleissig Tonnen oder wieviel ihr tatsächlich macht.

 

Euer Coach B